Ein Schweizer Obstbrand, im Barrique ausgebaut, ist eine wunderbare Alternative zu, sagen wir mal, Cognac, Whiskey oder Grappa. Leider ist dieser Zugewinn gemeinhin unentdeckt. Schuld daran sind alte Denkmuster, pures Unwissen und mangelnde Courage. Zeit, dass sich das ändert.
Seit meinem letzten Besuch in Escholzmatt, bei der Distillerie Studer, ist bereits wieder ein Weilchen vergangen. Seither, und das finde ich bemerkenswert, habe ich eine Idee im Kopf und komme nicht drum herum, an deren Obstbrände zu denken. Besser gesagt, mir zu überlegen, welcher davon im Anschluss an ein feines Essen der Optimale ist. Wein zum Essen, das passt. Soviel ist klar. Da fühl ich mich wohl und souverän, das ist meine Domäne. Das «Trinken-nach-dem-Essen» ist ein anderes Spannungsfeld. Landläufig werden da Grappa, Cognac oder Whiskey serviert. Weil man das so kennt, oder irgendwo gelesen hat. Und mit dieser bescheidenen Weisheit, entschuldigen Sie bitte diese offenen Worte, sind dann die meisten Geniesser bereits am Ende ihrer Kreativität angelangt.
Es geht auch anders, meine ich zu wissen, mache die Probe aufs Exempel und hauche meiner Idee Leben ein. Und das geht so: Zwei Mal pro Monat, so die ungeschriebene Regel, spielen mein Vater und ich nach dem Essen eine Partie Schach. Währenddessen, quasi der krönende Abschluss des Abends, geniessen wir, total stereotyp, einen Cognac. Bei der letzten Schachrunde tischte ich Väterchen jedoch keinen französischen Tropfen auf, was er nicht wusste und schon gar nicht erwartete, sondern einen urschweizerischen. Nämlich einen handfesten, im Eichenfass ausgebauten Birnenschnaps. Tätsch, bumm, tschäk! Eine Schnapsidee war das eindeutig nicht. Ich würde es eher als Volltreffer bezeichnen.
«Ob Birne, Apfel, Pflaume oder Mirabelle, mehr Natur geht nicht.»
Um es kurz zu machen: Der Nachhall war mordsmässig, meine Erwartungen übertroffen und, ein schöner Nebeneffekt, das Spiel zu meinen Gunsten entschieden. Vermutlich nicht, weil ich die bessere Strategie hatte. Aber, bei Lichte betrachtet ist das auch eine Taktik, weil mein Abweichen von der Norm unerwartet kam und, zusammen mit dem Odeur des Williams, Papa aus den Socken gehauen hat. Was für mich die kleinere, für ihn die weitaus grössere Überraschung war.
Probieren geht über Studieren. Regeln brechen, sich von alten Pfaden wegbewegen, dafür hin zum Originellen und Subkulturellen, macht ebenfalls Sinn. Wenn damit einem Stück Schweizer Kulturgut gefrönt werden darf, erst recht. Ob Birne, Apfel, Pflaume oder Mirabelle, mehr Natur geht nicht. Was sich, solides Handwerk vorausgesetzt, damit machen lässt, kann, behaupte ich, und untertreibe dabei, jedem Cognac oder Whiskey das Wasser reichen. So mein Fazit.
Wie sich ein feiner Digestif kombinieren lässt, mit edlem Tabak beispielsweise, was es braucht, damit wird, was sein muss, lesen Sie in meiner nächsten Kolumne, wo ich Brennmeister Reto Meier auf den Zahn fühle und er mir, unter anderem, über seine Liebe zu Schweizer Eichenholz berichtet, einer der Grundlagen, um zu den Besten der Besten der edlen Brände zu gehören.Natur, Restaurant, Shirley Amberg