Hier, wo die Uhren einen Tick langsamer gehen und Schnäpse nach alter Väter Sitte gebrannt werden, war ich zu Besuch. Auf einem Anwesen aus einer anderen Welt – einem feudalen Überbleibsel von anno dazumal. Bei der Distillerie Studer im kleinen Ort Escholzmatt, im Entlebuch.
Das Äschlismatt, so nennen es die Einheimischen, ist nicht unbedingt das, was man im Allgemeinen ein Schmuckstück auf der Landkarte nennen würde. Ich darf mir diese Bemerkung erlauben, leben doch meine Eltern seit Jahren dort und fühlen sich rundum wohl. Ebenfalls erwähnenswert: Der Ort befindet sich kartographisch im Herzen der Schweiz. Soviel vorab.
Als mir Publizist Urs Blöchliger von den Studers in Escholzmatt erzählte, wurde ich, berufsbedingt, hellhörig und, zweitens, neugierig. Derart neugierig, dass ich mich ratz-fatz ans Telefon hängte und mit dem Herrn des Hauses, Ivano Friedli, einen Termin vereinbarte. Ich wollte die schnapsbrennenden Nachbarn meiner Eltern kennenlernen. Und dabei dieses und jenes über das Familienunternehmen herausbekommen. Zwei Tage später begrüsst mich Ivano Friedli, der Don der Distillerie, mit offenen Armen. Das ist wörtlich zu verstehen. Galant und weltgewandt kommt er daher. Ganz und gar Gentleman. Ein angenehmer Kontrast zur eher verschlossenen und kantigen Gegend, wie ich sie kenne. Das Eis, wenn es denn solches gab zwischen uns, ist so rasch geschmolzen wie jenes in den Gläsern auf der Theke vor uns. Bei einem Trunk aus Studers Fässern erfahre ich von Ivano, woher er ursprünglich kommt, aus Meggen am Vierwaldstättersee, und weshalb es ihn von dort in die Moorlandschaft des Entlebuchs verschlug. Das ging, in kurzen Worten, so:
Käthi, Ivanos Frau, ist eine Studer, eine direkte Nachfahrin jener vier Brüder, welche die damalige Likör- und Confiseriefabrik 1883 gründeten. Als Käthis Vater 1990 die Nachfolge regeln und das Zepter übergeben wollte, musste zwischen Seeblick und Traditionshaus entschieden werden. Die Wahl, man kann es sich vorstellen, war rasch getroffen. Wenn auch ein Hauch Skepsis und eine zünftige Portion Respekt mit im Spiel war. Ivano, Werbefachmann mit gutem Ruf, würde das Familienunternehmen, Käthi das Unternehmen Familie leiten. Das Paar zog um, trat in die Fusstapfen von Käthis Vater und knüpfte an das an, was drei Generationen Studer hinterlassen haben: Tradition, Brennkunst und die Würdigung von Qualität.
«Galant und weltgewandt kommt er daher. Ganz und gar Gentleman.»
Wie gesagt, das ist die kurze Variante von dem, was war und wie es dazu kam. Über das hingegen, was ist, gibt es noch einiges zu erzählen und von dem, was derzeit noch in den Sternen steht, ebenfalls. An beides werde ich mich hängen und dem geneigten Leser, der geneigten Leserin, in kleinen Portionen berichten. Über treue Brennmeister beispielsweise. Oder darüber, was die vielbesagte Qualität ausmacht. Sicher hört ihr vor mir auch etwas zum Thema Genuss oder warum ein Gravensteiner nur schwer aus der Mode kommt, ein Gin hingegen vielleicht schon.